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Zum Fußball! Eine kurze Überlegung darüber, wie Sport Brücken bauen kann.

Hier oder dort, vor der Grenze oder dahinter. Deutsche und Tschechen verbindet im heutigen Europa eine ganze Reihe von Themen. „In der Luft“ liegen alte Fragen wie neue Herausforderungen und Lösungen. Der Blog von Zuzana Lizcová bringt interessante Momentaufnahmen des aktuellen Geschehens der letzten Wochen und Eindrücke von Treffen mit verschiedenen Menschen.  

15.5.2018

Mittwoch am frühen Abend, gleich ist es sechs. Im Foyer des Kinos Konvikt sitze ich mit einem kleinen, stichelnden Herrn. Zwischen uns ein Mikrofon, um uns herum Platzanweiserinnen und Besucher. Das Gespräch hat nicht gut begonnen und es ist ziemlich klar, dass Jean Boué und ich uns auch später nicht um den Hals fallen werden. Die Fragen und Antworten stocken, wir sind augenscheinlich nicht auf derselben Wellenlänge. Sein Gesicht erhellt sich erst in dem Augenblick, als ich frage, was er von Fußball hält. Bereitwillig erzählt er, wie er mit seinem Sohn kicken geht und auf den verletzten Meniskus Acht geben muss. Als ob sich die Wolken über dem Tisch wie aus dem nichts verzogen hätten.

Nach Fußball frage ich nicht zufällig. Jean Boué ist Regisseur und er ist nach Prag gekommen, um seine abendfüllende Dokumentation Refugee 11 vorzustellen. Darin erzählt er die Geschichte einer Fußball-Elf, die ausschließlich aus Flüchtlingen zusammengesetzt ist, welche in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind. Das Team hat sich kurz nach der großen Flüchtlingswelle in den Jahren 2015 und 2016 gefunden und zusammen eine ganze Saison in der örtlichen, untersten Amateurliga gespielt.

Von naiver Integrationsidylle sind Boués Aufnahmen weit entfernt. Er fängt darin den grauen Alltag der provisorischen Unterkünfte für Flüchtlinge ein und die Probleme mit der Suche nach besseren Räumlichkeiten, unendliches Warten auf Asylentscheidungen, erdrückende Langeweile der Untätigkeit. Das Einzige, was ihnen wenigstens irgendeinen Sinn und einen geregelten Ablauf gibt, ist eben Fußball. „Das Team im Film spielt zusammen und sie warten die ganze Woche lang immer auf das Wochenende, um auf dem Spielfeld auch nur einmal spielen dürfen. Weil sie unter der Woche nur verlieren – sie erleben keine Erfolge, haben keine sozialen Kontakte, sind isoliert, niemand braucht sie,“ erzählt Boué. Und gleich darauf ergänzt er mit Nachdruck, dass es in seinem Film selbstverständlich um mehr ginge, als nur um das Spiel.

Das Spielfeld nimmt Boué als Ort wahr, an dem sich die Zuwanderer aus den verschiedensten Ecken der Erde (die 30 Spieler von Refugee 11 kommen aus insgesamt 18 Ländern) daran gewöhnen können, dass fair und nach festen Regeln gespielt wird. Ihr deutscher Trainer verlangt von ihnen Disziplin und Pünktlichkeit. Er ließ ruhig schon einmal auch die besten Spieler auf der Bank sitzen, wenn diese gammelten. Und dank dem Fußball haben auch alle begriffen, dass sie nur in dem Moment erfolgreich sein können, wenn sie als Team spielen. Beide Erfahrungen sind nach Boué unbezahlbar. Für das Kicken und das Leben.

Das Beispiel Refugee 11 zeigt, dass Fußball gut als Brücke zwischen den unterschiedlichsten Menschen dienen und zu ihrem gegenseitigen Verständnis beitragen kann. „Wenn sich Menschen streiten und es nicht möglich zu sein scheint, sie zu beruhigen, dann wirf einen Ball zwischen sie und sie werden beginnen, miteinander zu spielen. Das ist eine Logik, die immer funktioniert,“ betont Boué. Und nicht nur das, wenn wir mit offenen Augen durch unser Leben gehen, kann uns das helfen, auch die Welt um uns herum besser kennenzulernen. „Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiß, verdanke ich dem Fußball,“ sagte schließlich auch der Schriftsteller und Philosoph Albert Camus.

Im kleinen, deutsch-tschechischen Format beschäftigt sich die Deutsch-Tschechische Fußballschule mit dem Niederreißen von Grenzen durch Fußball schon seit 2002 – bis heute waren bereits 15.000 Kinder beteiligt. Zu Beginn hat sie hauptsächlich in Františkovy lázně (ehemals Franzensbad) und in Hof regelmäßige Trainings angeboten, die mit Deutsch- und Tschechischunterricht verknüpft worden sind. Heute konzentriert sie sich vor allem auf die Durchführung von Turnierspielen sowie Wochenend- und Ferienlagern in ganz Deutschland und Tschechien. Sie bietet nach dem sich bereits bewährten Modell auch weiterhin Sprachkurse an.

„Unserer Grundidee sind wir treu geblieben,“ sagt der Cheforganisator der Deutsch-Tschechischen Fußballschule Gerald Prell. „Fußball kann der ideale Ort für Begegnungen sein – zwischen Nationen, Kulturen, Jungen und Alten, Jungen und Mädchen, großen und kleinen Vereinen. Sport verbindet spielerisch alle miteinander,“ meint er und ergänzt, dass die Zeit, in der beide Länder noch durch den Eisernen Vorhang getrennt wurden, noch nicht so lange her sei. „Frieden und ein vereinigtes Europa sind keine Selbstverständlichkeit,“ denkt Prell. „Falls wir dazu mit Fußball etwas beitragen können, ist das prima.“

Die Hauptmotivation, sich den Aktivitäten der Schule anzuschließen, ist für Kinder und ihre Eltern einfach der Spaß an Bewegung, aber auch die Möglichkeit die eigenen Kräfte mit anderen zu messen und ein anderes Land kennenzulernen. „Durch den Sport können wir aber noch viel mehr zeigen: Sprache und Kultur, Geschichte, den Alltag der Nachbarn. Viele Kinder konnten während der Zeit in der Deutsch-Tschechischen Fußballschule schöne Augenblicke erleben, die sie niemals vergessen werden,“ sagt Prell. Zugleich weiß er aber gut genug, dass es nicht nur rosige Momente gibt: „Im Fußball gibt es gute und schlechte Momente. Siege und Niederlagen.“

Das Eine kann wie das Andere eine wertvolle Erfahrung sein. Beim Kicken und im Leben.


Zuzana Lizcová ist Journalistin und Analytikerin. Sie sammelt interessante Geschichten, schreibt und hält Vorträge über internationale Politik. Ein besonders enges Verhältnis hat sie zu Deutschland und Österreich. Sie hat Spaß an neuen Projekten und an Menschen, die anderen etwas zu sagen haben.